… und Trolle gibt es nicht in Finnland.
Was war das eben für ein Geräusch?
Bild im Titel: Der “freundliche” Bär. Karhu: Bär (finnisch). Karhu ist ein Bierhersteller in Finnland.
Starr vor Schreck liege ich in meinem Schlafsack. Es ist schon fast dunkel.
Da – schon wieder – ganz nah! Ein leises, kratzendes Rascheln. Ganz sicher, ich täusche mich nicht.
Dann Stille. Angestrengt und hellwach lausche ich nach draussen. Stille.
Gibt es Bären in Finnland? Unser Zelt steht einsam und in kompletter Abgeschiedenheit ganz in der Nähe der finnisch-russischen Grenze – wir übernachten in der freien Natur. Draussen, allein, fernab jeglicher Zivilisation.
500 bis 1000 Bären gibt es nach offizieller Schätzung – Braunbären.
Angst kriecht in mir hoch. Wenn das ein Bär ist da draussen? So nah an unserem Zelt - ich schätze vielleicht drei, vier Meter? Nervös wecke ich meine Frau, Arlette. Aber wir hören nichts – kein Geräusch – einfach nichts.
Nichts. Gut.
Ein paar Minuten später weckt uns unsere Tochter Olivia – sie liegt in ihrem Schlafsack links aussen an der Zeltwand. Auf der rechten Zeltseite schläft Cécile. Unsere beiden Töchter sind 11 und komplett Outdoor- und Trekking-begeistert.
“Leute – ich muss nochmals nach draussen. Kommt jemand mit?”
Da ist sie wieder, meine Angst … wenn nun doch ein Bär da draussen ist?
Braunbären werden dem Menschen nicht gefährlich. Also eigentlich kein Problem – wenn man ihnen nicht zu nah kommt und wenn man sie nicht überrascht. Wie nah ist denn der Bär da draussen? Ich werde das Bild vom Bären auf der Karhu-Bierdose nicht los … sind die Bären wirklich nicht gefährlich?
Noch bevor ich diesen Schreckgedanken zu Ende denke, zurrt Olivia am Reissverschluss des Zelts und ist draussen.
Leise sagt sie: “Leute …”
Ich haste nach draussen und dränge mich an ihr vorbei – gefasst auf alles. “Was ist denn?” Ich sehe nichts.
“Ein Hase – ich denke, ein Schneehase.” und: “jetzt ist er weg.”
Erleichtert atme ich auf.
Wer hat denn Angst vor einem Hasen, vor einem Schneehasen?
Noch immer leicht zitternd sage ich ganz cool: “Fantastisch – du hast einen Schneehasen gesehen! Es ist toll hier draussen in der Wildnis – ich habe schon gedacht, du siehst einen Troll!”
Olivia belehrt mich: “Es gibt keine Trolle.”
Kurz vor Mitternacht.
Eine grandiose Abendstimmung umgibt uns. Genau solche Bilder haben wir gesucht in Finnland. Einsamkeit, Stille, Weite. Nebelschwaden ziehen gespenstisch über die Wiesen, darüber der rote Nachthimmel. Richtig dunkel wird es hier zu dieser Jahreszeit nicht. Und wie wenn die Abend- und Nachtstimmung allein nicht schon schön genug wären, geht der Mond am Horizont auf – langsam bedächtig hüllt er uns sein silbernes Licht. Wunderbar.
22 Nächte verbringen wir draussen im Zelt. Meistens ist es schön und warm – so haben wir uns Finnland nicht vorgestellt! Wir waren gefasst auf Wind und Wetter, Kälte und Regen auch im Sommer. Aber die Wettergötter sind uns gnädig gestimmt: Kaum eine Nacht ist es kälter als 15°C und zudem meistens trocken.
Nicht im 5-Stern Hotel. Nein. Unter Millionen von Sternen.
Warum im 5-Stern Hotel übernachten, wenn du unter Millionen von Sternen übernachten kannst?
Ein Traum. Wer einmal vom Outdoor-Virus befallen ist, wird diese stillen Abende und Nächte im Zelt nie mehr missen wollen. Das warme Abendlicht, das spannende Schatten der sich im Wind wiegenden Gräser und Pflanzen auf die Zeltwand wirft. Das glitzernde Moskito-Netz – halb durchsichtig, Schutz und Fenster zugleich. Mitten in der Natur, ein Teil von ihr, draussen, unter den Sternen.
Nicht im 5-Stern Hotel.
Nein.
Unter Millionen von Sternen.
Nie würde ich tauschen wollen.
Im Fichtenwald.
Heidelbeeren (oben); Knäckebrot mit Quark, Skyr, Heidelbeeren und Himbeeren (unten links); Preiselbeeren (unten rechts)
Der Blick aus dem Zelt ist einmalig. Direkt vor dem Zelt sind Preiselbeeren, Heidelbeeren, dahinter in malerischer Ruhe Bäume: Birken, nordische Fichten, am Waldrand stellen wir unser Zelt auf inmitten von Blumen, die sich schön im Wind wiegen.
Hinten — im Schutz des Waldes sind Elch, Hirsch, Reh — hörst du sie?
Birken.
Ein leises Lüftchen. Was für Farben!
Gibt es wirklich keine Trolle in Finnland?
Bären haben wir keine gesehen in Finnland. Ich weiss nicht, ob ich deswegen froh sein soll oder nicht. Aber Elche, Hirsche, Schneehasen.
Und eine Frage bleibt:
Hat Olivia recht? Gibt es wirklich keine Trolle in Finnland?
Home
Thank you for reading.
You can sign up for my newsletter here.
Danke für diesen ehrlichen Beitrag! Erkenne mich selber wieder, als ich gerade noch in Alaska sagte: … Pssst! Hast du das gehört? :-))
Vielen Dank! Ich neige auch nicht zum Angsthasen – aber da draussen ganz allein sieht vieles anders aus. Jedenfalls beruhigend zu hören, dass es dir auch so geht 🙂
Ja sie hat recht. 🙂
gömmer wieder mal uf Finnland?
Danke Cécile. Vielleicht scho. S’würd mi au Reize, wieder mit em Hält. Outdoor.