Der perfekte Caffè. Outdoor. In the Wild. Und ultralight.
Ich bin ein Caffè- und Espresso-Freak. Markennamen wie “Faema” mit dem legendären E61 Prinzip (benannt nach der berühmten Mondfinsternis), “La Scala”, “Elektra”, “Rocket”, “ECM”, “Vibiemme”, “Mazzer”, “Macap” sind mehr als leere Schlagwörter für mich – diese klingenden Namen lassen die Herzen jedes richtigen Caffè- und Espresso-Freaks höher schlagen.
Il caffè perfetto ist eine Lebensphilosophie – er ist schon fast ein Kult.
Gemäss Lehrbuch beträgt die maximale Menge des “Caffè perfetto” offiziell 30 ml – ich liebe ihn etwas kürzer mit ungefähr 25 ml; seine Durchlaufzeit beträgt zwischen 22 und 25 Sekunden; die Wassertemperatur beim Siebträger liegt bei 88 °C +/- 2 °C, der Caffè sollte mit 80 °C in die Tasse laufen, die Tassen sollten mit 50 °C vorgeheizt sein, so dass die “Zieltemperatur”, d.h. die Endtemperatur des Caffès 67 °C +/- 3 °C beträgt; die offiziell empfohlene optimale Pulvermenge für den richtigen italienischen Caffè – hierzulande auch Espresso genannt – liegt bei 7 bis 9 g – ich liebe meinen Caffè etwas intensiver, mit 10 bis 12 g; sein Röstgrad und die Geschwindigkeit des Röstprozesses sind ausschlaggebend – für mich ist eine dunkle und langsame Röstung (Torrefazione Lenta) wichtig; und auch die Mischung von Arabica und Robusta Sorten – genauso wie der perfekte Feinheits- resp. Mahlgrad der gemahlenen Espresso Bohnen.
Es ist eine richtige Wissenschaft. Ein Kult.
Mir sind die überall präsenten Kaffeemaschinen und -Sorten von “Nestlé” und Co. – wie auch immer sie alle heissen und wie auch immer sie als “Grand Cru veredelt, dicht, holzig und köstlich.” 😉 wurden – ein zeitlos gähnend langweilig und anhaltend flacher Graus ohne jegliche Tiefe. Ich trinke sie nur, um meine Umwelt vor den Folgen des mir nach mehrtägigem Kaffeeentzug drohenden Delirium Tremens zu retten.
Erstes Bild: Bialetti “Moka Express (3 cups)”. Caffè perfetto, 24. Juli 2016, Finnland 60.63634004 27.89158646, auf einer Waldlichtung, in 2 km Entfernung von der Grenze Finnland – Russland
Zweites Bild: Bialetti “La Mokina”. Caffè perfetto, 10. Januar 2017, auf vereistem Granittisch in Corticiasca 46°05’15.5″ N 9°01’30.9″ E.
Woher das Kabel? Und zu schwer.
Weil ich unsere fantastische Espresso-Maschine (La Scala Butterfly, 26 kg) und die Kaffeemühle (Macap M5, 10 kg) “nur sehr bedingt” für Outdoor und Ultralight-Trekking empfehlen kann und “höchst selten bis gar nie” (- das Kabel würde zu lang ;-)) auf meine Ultralight-Trekking-Touren mitnehme, drängt sich also die Frage auf: Wie mache ich den perfekten Espresso – den Caffè perfetto – “out, there, in the wild”?
Out. There. InTheWild. Ohne Caffè?
Undenkbar.
Wege zum “Caffè – Out.There.InTheWild” gibt es viele. Bekannt sind unter anderen:
- Löslicher Kaffee wie beispielsweise Instant Kaffee. Instant Kaffee ist leicht und gut transportabel, aber geschmacklich etwa gleich wie ganz schreckliches Abwaschmittel, also noch schlimmer als grauenvoll. Wobei die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind; aber bevor ich Instant Kaffee trinke, nehme ich alle oben genannten Delirium Tremens Symptome in Kauf.
Mein Urteil:
Gewicht: Leicht, portabel.
Handling und Volumen: Top. Einfach.
Geschmack: Alle bislang getesteten Sorten schmecken zumindest für mich zeitlos schrecklich grauenhaft.
Gesamturteil. (Für mich aus geschmacklichen Gründen) NoGo. - Kaffeepumpensysteme wie der Handpresso PUMP oder Handpresso Wild Hybrid. Sie ergeben zwar einen recht guten und aromatischen Kaffee, sind aber trotz anderslautender Werbung (“kompakt und leicht”) recht gross und schwer – nämlich exakt 476 g (Modell Handpresso PUMP) und 480 g (Modell Handpresso Wild Hybrid). Video zur Handpresso Wild Hybrid. Wie warm wird der Caffè sein bei einer Temperatur von -10 °C, wenn die Pumpe also auch Minusgrade hat?
Mein Urteil:
Gewicht: Recht schwer, voluminös.
Handling und Volumen: Mittelmässig einfach, ein Spielzeug, mit einem gewissen Fummelpotenzial.
Geschmack: Gut, recht voluminös, je nach verwendetem Caffè.
Gesamturteil: (Für mich ein Spielzeug, und aus Gewichtsgründen) NoGo. - Filterkaffeesysteme wie der Helix Coffee Maker. Sie sind leicht und kompakt, und damit gut tragbar – toll! Zusätzlich benötigt wird ein Filterpapier. Eigentlich eine tolle Idee für deinen Lieblingskaffee – aber hast du damit auch schon in der längsten Hochlandpiste Islands, der Sprengisandur (isländisch: Sprengisandsleið) bei 0 °C und 50 km/h Wind einen Kaffee gemacht? Und – woher das Filterpapier und wohin mit dem gebrauchten Filterpapier, einfach wegwerfen?
Mein Urteil:
Gewicht: Leicht.
Handling und Volumen: Bei idyllisch windstillen Verhältnissen relativ einfach, in starkem Wind jedoch umständlich. Erfordert Filterpapier.
Geschmack: Top. Voluminös, je nach verwendetem Caffè.
Gesamturteil: (Für mich) Go. Vor allem wenn im Zelt gekocht wird. - Kaffeepads (ESE-Pads, resp. Pods) – es gibt sie für alle möglichen Kaffeemaschinensysteme – teilweise auch mit echtem Spitzenkaffee, wie beispielsweise der Caffè Ferrari. So gut das darin enthaltene Kaffeepulver auch sein mag – durch die Pads wird der Kaffee schal, fade und verliert einen Grossteil seines Aromas, und wenn die Pads direkt im siedenenden Wasser mitkochen, platzen sie gerne auf. Und – wohin mit dem gebrauchten Pads, dem Filterpapier, einfach wegwerfen?
Mein Urteil:
Gewicht: Leicht.
Handling und Volumen: Einfach, gemessen am Volumen relativ wenig Kaffee. Vorsichtig kochen.
Geschmack: Akzeptabel, jedoch etwas schal, fade und kein tiefes Aroma, auch bei Spitzenkaffee nicht.
Gesamturteil: (Für mich ganz knapp) Go.
Und die beiden Favoriten?
Fast perfekt. Die “Nonna”.
Wer kennt sie nicht, die “Nonna”? Die Grossmutter? Die legendäre italienische Kaffeemaschine – für Generationen schlicht die beste “macchina per il caffè”. Es gibt sie von verschiedenen Herstellern, in verschiedenen Farben und Grössen – für einen, zwei oder mehrere Caffè. Die von mir verwendeten Modelle von Bialetti sind komplett aus Aluminium gefertigt, robust und dauerhaft – gemäss meiner Erfahrung “untötbar”.
Bialetti “Moka Express (3 cups)”. Caffè perfetto, 24. Juli 2016, Finnland 60.63634004 27.89158646, auf einer Waldlichtung, in 2 km Entfernung von der Grenze Finnland – Russland
Ich verwende auf meinen Touren zwei verschiedene Modelle von Bialetti, die ganz kleine Bialetti “La Mokina” (für einen Caffè, 192 g schwer), und die etwas grössere, aber immer noch kleine Bialetti “Moka Express” (3 Cups, für 3 Caffè, 400 g schwer).
Insbesondere das kleinere Modell, die Bialetti “La Mokina” gefällt durch ihr geringes Gewicht. Sie ist eine gute Wahl auf Touren, bei denen es nicht auf das letzte Gramm Gewicht ankommt.
Die grössere Bialetti “Moka Express (3 cups)” verwende ich vor allem auf Touren, wenn es nicht oder nur wenig auf das Gewicht darauf ankommt.
Bialetti “La Mokina”. Caffè perfetto, 10. Januar 2017, Corticiasca 46°05’15.5″ N 9°01’30.9″ E.
Das Prinzip der “Nonna” ist denkbar einfach:
Das Wasser im unteren Teil der Maschine (A, dunkelgrau) wird erhitzt, beispielsweise mit einem Gas- oder Benzinkocher.
Durch den entstehenden Dampfdruck (A, hellgrau) wird das Wasser durch das im darüber liegenden Filtersieb (B) liegende Kaffeepulver gedrückt (von unten nach oben.
Damit kein gefährlicher Überdruck entsteht, hat jede “Nonna” von Bialetti im hellgrauen Bereich von (A) ein Sicherheitsventil.
Der fertige Caffè befindet sich im oberen Teil der Maschine (C).
Bialetti “La Mokina”. Caffè perfetto, 10. Januar 2017, Corticiasca 46°05’15.5″ N 9°01’30.9″ E.
Je nach Routine des Barista und Coffee-Makers kann ein wunderbar aromatischer Caffè Espresso mit Schaumkrönchen aus der “Nonna” gezaubert werden. Rückstände und Abfall ausser trockenem Kaffeesatz gibt es keine.
Mein Urteil:
Gewicht: Eher leicht, vor allem das kleine Modell “La Mokina”.
Handling und Volumen: Einfach. Tipp: Den Caffè nicht überhitzen, er wird sonst bitter.
Geschmack: Gut, recht voluminös, je nach verwendetem Caffè.
Gesamturteil: (Für mich ein klares) Go. Aufgrund der guten Qualität des Caffè ist die Lösung mit der Bialetti-“Nonna” – vor allem mit dem kleinen Modell “La Mokina” für mich eine gute Lösung. Die knapp 200 g trage ich gerne, in Anbetracht der hohen Qualität des Caffè.
Und nun zu meinem absoluten Top-Favoriten.
Perfekt. Caffè puro.
Wie so oft ist die beste Lösung die einfachste. Du möchtest Caffè? Was benötigst du dazu? Kaffeepulver und Wasser – und nichts anderes! Warum nicht einfach Kaffeepulver kochen? Caffè puro – what else?
Bekannt ist die Art, den Caffè zuzubereiten auch unter ihrem offiziellen Namen: Cowboy Coffee.
Viel einfacher geht es nicht mehr.
- Wasser und Kaffeepulver werden aufgekocht.
- Kaffeesatz setzen lassen.
- Und fertig ist der Caffè.
Dabei gibt es zwei Varianten:
1- Kaffeepulver und Wasser werden zusammen gekocht.
2- Das Wasser wird separat gekocht und in den Becher mit dem Kaffeepulver gegossen.
Die Variante 1 hat den Vorteil, dass sich nach dem Kochen und ersten Setzenlassen nur noch wenig Kaffeepulver im Caffè befindet. Das Ausgiessen in den resp. die Becher muss allerdings sehr sorgfältig erfolgen. Es besteht zudem die Gefahr, dass man den Caffè zu lange kocht – er wird dadurch bitter.
Die Variante 2 hat den Vorteil, dass die verwendete Menge an Kaffeepulver für jeden Caffè und jeden Becher individuell bestimmt werden kann, und dass der Caffè in keinem Fall überhitzt wird – er wird dadurch auch nie bitter. Der ganze Kaffeesatz befindet sich schlussendlich im Becher. Das Trinken des Caffè muss dann jedoch aufgrund des Kaffeesatzes im Becher vorsichtig erfolgen.
Bilder: Spork von Light My Fire. Es gibt ihn in allen erdenklichen Farben, sogar in einer Titanausführung, und er ist fast untötbar.
Wieviel Kaffeepulver ist empfehlenswert? Am besten nimmst du einen Löffel pro Tasse, ich nehme dazu etwa 15 g Kaffeepulver. Am liebsten verwende ich dazu den klassischen Spork von Light My Fire. Er ist ohnehin bei jedem Ultralight-Trekking mit dabei, und er wiegt nur sagenhaft leichte 9 g (Kunststoff).
Wie fein muss der Kaffee gemahlen sein? Das ist je nach Geschmack unterschiedlich. Ich bevorzuge sehr fein gemahlenen Kaffee. Er ist so fein gemahlen, wie er in einer der ganz am Anfang genannten Siebträgermaschinen verwendet wird. Viel feiner als für klassische Filtersysteme.
Welche Kaffeesorte oder welchen Kaffee bevorzuge ich? Ich liebe sehr dunkle, sehr langsam – wenn möglich über Holzkohle geröstete reinige Arabica-Bohnen. Ein wenig Werbung darf ja sein ;-), also beispielsweise den Espresso tipo Napoli (dunkel) von Ferrari Caffè (siehe Bild unten). Ein absolut fantastischer Caffè. Eine Wucht.
Welche der oben genannten Varianten der Zubereitung bevorzuge ich? Vor allem auf meinen Solo-Touren klar die Variante 2 (das Wasser wird separat gekocht und in den Becher mit dem Kaffeepulver gegossen). Der Kaffeesatz setzt sich schon bereits nach einer Minute, und der Caffè ist trinkbereit. Diese eine Minute mit dem warmen Becher in der Hand haben mir im Winter schon häufig die fast erfrorenen Finger gerettet.
Die Variante 1 (Kaffeepulver und Wasser werden zusammen gekocht) wähle ich eigentlich nur dann, wenn ich sicherstellen will, dass meine Freunde keinen oder nur ein Minimum an Kaffeesatz im Becher haben.
Mein Urteil:
Gewicht: Ultraleicht, nur das pure Kaffeepulver.
Handling und Volumen: Einfach. Tipp: Bei Variante 1 den Caffè nicht überhitzen, er wird sonst bitter.
Geschmack: Top. Sehr voluminös, je nach verwendetem Caffè.
Gesamturteil: (Für mich ein sehr klares) Go. Mein Top-Favorit.
Und deine Meinung?
Kennst du noch weitere Kaffeesysteme oder noch andere Arten, den “Caffè perfetto” zu machen? Ich bin gespannt und freue mich auf deinen Kommentar! Vielen Dank.
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Jetzt geniesse ich meinem Caffè perfetto aus unserer schönen “Butterfly” – mit 15 g Kaffeepulver und 28 ml dunklem Caffè mit nussbraunem Schäumchen. Er ist intensiv, vollmundig, stark … einfach perfetto.
Und nun zum “wilden Kaffee”: wie du ja weisst, gibt es noch eine dritte Variante. Man erhitzt das Wasser und leert dann das Kaffeepulver hinein. Dadurch wird der Kaffee auch nicht “verkocht”. Nur aufgepasst mit dem Phänomen des Siedeverzuges! Die Explosion im Wassertopf!
Wasser hat die Eigenschaft, dass es überhitzt werden kann. D.h. es kann heisser werden, als seine eigentliche Siedetemperatur (bis zu 110 °C). Es kann die Siedetemperatur also bereits erreicht haben, aber noch nicht kochen; sprich sprudeln oder blötterle. Oder dieses nur sehr schwach. Wenn man dann Kaffeepulver, oder beim Spaghettikochen das Salz in das heisse Wasser leert, dann werden die “stillen Gasblasen” gestört und kollaborieren, es kommt zum explosionsartigen Entweichen der Flüssigkeit. Bei engeren Gefässen kommt dieses Phänomen viel häufiger und deutlicher vor, als in der grossen Spaghettipfanne. In engen Gefässen bildet sich meistens ein grosse Gasblase, welche erst bei einer Störung explodiert. Diesen Siedeverzug kann man aber ganz einfach umgehen, wenn man das Wasser während dem Kochvorgang immer wieder umrührt.
Also, ich freue mich auf einen nächsten Caffè perfetto in the wild ohne Explosion!
Danke für den Tipp und die Erklärung des Siedeverzugs. Der Siedeverzug ist mir schon oft passiert, das ist wirklich wie eine kleine Explosion: Das Ganze kocht über. Sehr plötzlich.
Mega cooler Blog und sehr schöne Bilder, nur leider hab ich nicht alles richtig verstanden, vor allem die verschiedenen Varianten des Kaffes.
Sonst aber sehr toller Blog!
Danke Cécile, ich finde es toll, dass du meinen Blog liest. Vielen Dank!
Thanks a lot, dear Cecerli!